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Erfahrungsbericht: Open Source XMPP Client Conversations für Android

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Wie im Open Source Bereich üblich, gibt es für Android nicht nur einen XMPP Client, sondern gleich mehrere, die unabhängig voneinander entwickelt wurden. Mittlerweile hat man eine große Auswahl an XMPP Clients: Xabber, ChatSecure, Jitsi und viele mehr. Es ist nicht einfach, sich einen Überblick zu verschaffen. Über die letzten Monate hinweg habe ich einige Clients ausprobiert, aber wirklich überzeugt hat mich bisher keiner. Mein bisheriger Favorit war Xabber, eines der Urgesteine. Schade nur, dass ein Dateiversand nach wie vor nicht möglich und auch das Design absolut nicht zeitgemäß ist.

Die Argumente gegen alle anderen Clients waren ähnlich: Fehlende Funktionen, Instabilität oder grauenhaftes Design und miese Menüführung.

Mit Conversations ist nun ein XMPP Client aufgetaucht, der alles anders machen soll: Modernes Design, einfache Bedienung, sichere Kommunikation und Kompatibilität zu bestehenden Standards sind die Ziele der Entwickler – und diese zu erreichen ist ihnen bisher recht gut gelungen.

Der Sourcecode der App steht unter einer freien Lizenz (GPLv3) und ist somit Open Source. Sicherheitsbedenken bezüglich Backdoors muss also niemand haben. Um die weitere Entwicklung finanziell zu stützen, wird im Google Play Store eine kostenpflichtige Version angeboten. Wer die App lieber erst einmal ausprobieren will oder nicht bereit ist dafür zu zahlen, kann sie sich selbstverständlich selbst aus dem Sourcecode bauen oder eine bereits generierte .APK Datei auf dem Gerät installieren. Der Open Source Appstore “F-Droid” bietet Conversations ebenfalls an.

Design

Auffällig bei Conversations ist das einfache, moderne Design. Der Nutzer soll Freude an einer schönen Oberfläche haben, ohne dass unnötige Schaltflächen die Bedienung komplizierter aussehen lassen, als sie eigentlich ist. Wichtig ist den Entwicklern aber, die Sicherheit nicht einzuschränken, indem Design und Bedienung allzu sehr vereinfacht werden.

Conversations Screenshots

Conversations Screenshots

Sobald neue Nachrichten eintreffen, wird ein kleines Symbol für den schnellen Zugriff auf die Konversation in der Android Statusleiste angezeigt. Den Rest der Zeit verbleibt Conversations nicht in der Leiste, sondern wird über das App Menü oder das Multitasking-Menü aufgerufen. Das ist evtl. ungewohnt, wenn man vorher Xabber genutzt hat, aber man kann sich daran gewöhnen.

Die Kontaktübersicht zeigt Profilbilder neben den Namen, jedoch nicht die Profilbilder, die von den Kontakten festgelegt wurden, sondern die Bilder, die im Adressbuch des Telefons mit einem Kontakt verknüpft sind. Wieso man nicht einfach die eigenen Profilbilder der Kontakte vom Server nachlädt, verstehe ich nicht. Vielleicht kann man die Entwickler aber noch dazu bewegen, das nachzurüsten.

Eine Statusanzeige, die zeigt, ob ein Kontakt gerade online ist, fehlt in der Kontaktübersicht. Der Status kann nur in der Detailansicht eines Kontakts abgefragt werden, welche über die Konversationsansicht zu erreichen ist. Auch das ist ungewohnt. Nach Meinung der Entwickler nutzen die meisten Leute die Statusfunktion nicht oder vergessen ihn entsprechend anzupassen. Daher wurde auf eine direkte Anzeige in der Kontaktübersicht verzichtet. Eine Darstellung des aktuellen Statustexts fehlt ebenso. Hier wurden also die ersten Elemente aus Gründen der Vereinfachung weggelassen.

Im Großen und Ganzen finde ich das Design aber gelungen. Eine optionale, dunkle Oberfläche fände ich trotzdem toll. Das würde einfach besser zum Rest meines Androiden passen.

Features

In Conversations steckt mehr, als man auf den ersten Blick denken mag. Unterstützt wird nicht nur die OTR Verschlüsselung, sondern auch PGP, wobei letztere noch experimentell ist und nicht damit zu rechnen ist, dass dieses Feature zuverlässig funktioniert. Die Verschlüsselung über das beliebte OTR Verfahren habe ich aber getestet – das hat zusammen mit dem Pidgin-Client wunderbar funktioniert. Mit einem kleinen Schloss-Symbol unter den Nachrichten wird angezeigt, ob eine Nachricht verschlüsselt oder in Klartext übermittelt wurde.

In Gegensatz zu vielen anderen XMPP Clients beherrscht Conversations auch das Übertragen von Dateien – theoretisch zumindest. Dateiübertragungen scheiterten bei meinen Versuchen mit Pidgin und Jitsi. Die Übertragung zwischen zwei Conversation Clients konnte ich noch nicht testen. Was den Dateitransfer angeht, gibt es folglich noch starken Verbesserungsbedarf.

(Update: Der Austausch von Fotos zwischen zwei Conversations-Clients funktioniert einwandfrei.)

Gruppenchats sind mit der neuen XMPP App auch möglich. Derzeit nur unverschlüsselt, denn Verschlüsselung in Gruppenchats ist mit OTR praktisch nicht umsetzbar. PGP wäre theoretisch möglich, zieht möglicherweise aber hohen Einrichtungsaufwand nach sich – schließlich muss jeder Teilnehmer den PGP Schlüssel von allen anderen besitzen. Verschlüsselt ist jedoch weiterhin der Nachrichtentransport (via SSL). Nur eine End-To-End Verschlüsselung wie bei OTR oder PGP gibt es nicht.

Audio- und Videostreams sind mit Conversations noch nicht möglich. Es ist jedoch fraglich, ob das noch kommen wird, schließlich würde die Integration von Videotelefonie die Entwicklung erheblich komplexer machen und man würde über das Ziel “einfache XMPP App” hinausschießen. Für Videotelefonie kann stattdessen Jitsi für Android verwendet werden, die speziell dafür entwickelt wurde.

Fazit zu Conversations

Conversations ist mein neuer Default-Client für Android und löst damit Xabber ab. Die App ist stabil, läuft rund und beherrscht die Grundlagen. Etwas Umgewöhnung ist dennoch nötig, denn Conversations verfolgt das Ziel , möglichst einfach zu sein und verzichtet an manchen Stellen daher auf Funktionen, die man von anderen Clients gewohnt ist, wie z.B. die Statusanzeige in der Kontaktliste. Der XMPP Client soll vermutlich die SMS oder WhatsApp ersetzen und mit XMPP die Kontrolle über elektronische Kommunikation wieder in Nutzerhand geben. Und ich muss sagen: Das macht es ziemlich gut.

Endlich ein Client, der nicht wegen seines Designs abgelehnt wird.


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