Manuel Rodriguez hat in seinem Blog einen Beitrag zum Thema “Arch vs Ubuntu” verfasst, auf den ich in diesem Beitrag eingehen werde.
“Warum ich von Arch Linux zu Ubuntu migriere”
Ich bin erst Mitte September auf meinem Desktoprechner von Ubuntu auf Arch umgestiegen. Nach einigen Wochen ausprobieren habe ich im November schließlich auch mein Ultrabook erfolgreich auf Arch Linux umgestellt.
Den Blogbeitrag von Manuel habe ich mit großem Interesse gelesen, schließlich kommt es nicht besonders oft vor, dass jemand von Arch auf Ubuntu zurück wechselt. Der umgekehrte Weg ist eigentlich “üblich”. Manuel begründet seinen Entschluss aber gut, und auch wenn ich ihm nicht in allen Punkten Recht geben will, kann ich ihn doch gut verstehen.
Grundsätzlich findet er Arch nicht schlecht, aber für seinen Ansprüchen scheint es nicht zu genügen. So kritisiert er zuerst die Größe der Community. Sie sei zu klein und in der Ubuntu Community würde man viel schneller und bessere Hilfe bekommen.
“Doch eigentlich erwarte ich von einer Distribution etwas mehr, als einfach nur eine “schlanke Distribution”. Und zwar erwarte ich Support auf Deutsch, eine sehr große Community und eine hohe Marktdurchdringung. Und das bietet Arch Linux leider nicht. Sucht man mal nach Informationen in Buchform (also außerhalb von irgendwelchen Man-Pages und wikis) sieht es sehr sehr mager aus. Ich habe gerade einmal 2 englische Fachbücher über Arch Linux gefunden.”
Dazu kann ich sagen, dass ich die Hilfe der Arch Community schon ein paar mal in Anspruch genommen habe und mir eigentlich immer schnell und gut geholfen wurde. Natürlich ist die Arch Community noch sehr viel kleiner als die Ubuntu Community und auch in den deutschsprachigen Foren tut sich viel weniger. Aber es kommt ja darauf an, ob und wie einem geholfen wird. Der Support in der Ubuntu Community ist exzellent, aber auch in der Arch Community fühle zumindest ich mich nicht verloren.
“Desweiteren scheint die Ubuntu-Community vielleicht nicht unbedingt einen höheren IQ zu haben als die Archer, aber zumindest gibt es unter dem Stichwort “ubuntu+mein Problem” dutzende Einträge im WWW.”
Auch das ist wahr, aber meiner Meinung nach nicht mehr so schlimm, wenn man seine Suchanfragen speziell auf das Programm, welches Probleme macht, anpasst. In so einem Fall würde man dann nicht mehr nach “Ubuntu kein Sound” suchen, sondern vielleicht allgemein “Alsa kein Sound”. Wenn man dann noch mit englischen Begriffen sucht, bekommt man meist ausreichend Suchergebnisse, um sein Problem selbst zu lösen.
Das Ubuntu Wiki hat mir auf diese Weise auch schon häufiger bei Arch Problemen geholfen, schließlich gelten diese Einträge ja meistens nicht nur für Ubuntu, sondern auch für andere Distributionen, also auch Arch Linux. Man ist nicht auf ein Wiki beschränkt, sondern kann auch Supportmöglichkeiten anderer Distributionen wahrnehmen.
Für mich ist die kleine Community kein großes Problem. Ich zähle mich mittlerweile zu den fortgeschrittenen Linux Usern – da ist die Not dann natürlich auch nicht mehr ganz so groß wie bei blutigen Anfängern und man kann sich oftmals selbst helfen.
“[...] Bei Arch Linux gibt es eigentlich nur das eine Forum [...]“
Nein, es gibt mindestens bbs.archlinux.de und bbs.archlinux.org . Darüber hinaus noch eine deutschsprachige Arch Community auf G+.
“Und betrachtet man Ubuntu einmal unvoreingenommen, so ist es beileibe nicht so schlimm wie das Arch-Lager vorgibt: man bekommt auch bei Ubuntu zeitnah (d.h. tagesaktuell) ein Sicherheitsupdate für das Flashplugin und auch der Firefox-Browser ist stets in der aktuellen Version verfügbar. Zwar gibt es einige Pakete im Ubuntu-Lager die dringend einmal aktualisiert werden müssten, andere wiederum gibt es überhaupt nicht (Povray z.B. ist entgegen des Wiki-Eintrages nicht über apt-get install povray) zu installieren, sondern nur über Umwege — aber sei es drum.”
Ich weiß nicht, was der Rest der Arch User sagt, aber ich finde Ubuntu nicht schlimm. Ich halte Ubuntu nach wie vor für eine gute Distribution, vor allem wenn es um Anfänger geht bzw die Heranführung an Linux oder um den Einsatz auf Servern. Ubuntu muss auch kein “Anfänger-Linux” sein. Es ist einfach zu installieren und instand zu halten – das schätzt auch so mancher Poweruser.
Arch hat dann aber doch noch den Vorteil, dass man wirklich immer am Ball bleibt, was Updates angeht. Natürlich kann man sich die neueste GNOME Desktopumgebung auch manuell auf sein Ubuntu installieren, aber mit Arch und den sehr aktuellen Repositories ist man immer automatisch auf dem aktuellsten Stand, ohne dass man mit irgendwelchen Fremdpaketquellen (PPAs) herumbasteln muss.
“Insofern muss jeder Anwender Kompromisse schließen und eben selbst entscheiden ob er eine große oder eine kleine Community braucht. Und ich brauche eine große… Vielleicht liegt das an meinen mangelnden Programmierkenntnissen, an allgemeiner kognitiver Beeinträchtigung oder vielleicht auch an den Mondphasen, in jedem Fall kann ich mich nicht als fortgeschrittener Anwender bezeichnen sondern gehöre eher zur Ubuntu-Zielgruppe. Das ist zwar traurig, aber leider nicht zu ändern.”
Das ist auch kein Problem. Ich sage immer: Arch für Bastler, Ubuntu für den Rest. ;)
Wer gerne und ständig etwas neues ausprobiere will, Spaß daran hat, sein System zu modifizieren und hier und da an den Schrauben zu drehen oder einfach nur mit der Funktionsweise von Linux an sich zu tun haben will, der ist mit Arch Linux super bedient.
Alle anderen, die einfach nur eine Alternative zu Windows haben wollen und sich nicht ständig um das System kümmern können, sind dagegen mit Ubuntu gut beraten.
“Aber nicht nur Anfänger entscheiden sich für Ubuntu und gegen Arch Linux. Auch Sicherheitsprofis die Penetrationstests durchführen setzen auf Ubuntu. Beispielsweise basiert die Hacker-Distribution Backtrack-Linux darauf, und OpenWrt (eine Routerdistribution) verwendet ebenfalls das Paketformat von Debian-Linux. Und beiden Projekten unterstelle ich jetzt einfach mal, dass sie wissen was sie tun.”
Ja, sie wissen, was sie tun. Bei solchen Dingen (also Abwandlungen von Debian oder Debian-basierten Betriebssystemen) wäre es unvernünftig, auf eine Rolling Release Distri wie Arch Linux zu setzen. Warum? Ganz einfach: Ständig müsste Software angepasst werden. Die Entwickler würden nicht mehr hinterherkommen. Deshalb setzt man auf Distributionen, die für ihre Stabilität und eher langsame Entwicklung bekannt sind – so z.B. Debian.
“Wenn man durch die Computerabteilung auf der Suche nach Zubehör ist (z.B. Webcams, Drucker, Festplatten usw) ist man als Linux-Anwender ohnehin schon am Arsch. Überall steht etwas von “Systemvoraussetzung: Windows 7″, und die weibliche Verkäuferin hat noch nie etwas von Linux gehört. Da muss man nicht noch zusätzlich zum Außenseiter werden, und beispielsweise einen Drucker kaufen, der gut mit Arch Linux zusammenarbeitet.”
Linux ist Linux. Entweder wird die Hardware vom Kernel unterstützt oder eben nicht. Was unter Ubuntu läuft, bekomme ich auch unter Arch zum laufen, wenn ich weiß, was zu tun ist. Arch ist eine “Do it yourself – Distribution”, man darf also nicht erwarten, dass nach der Installation einer Desktopumgebung sofort alles funktioniert ;) Ubuntu ist nach der Installation schon vorkonfiguriert – bei Arch muss man das selbst machen und ggf bestimmte Pakete nachinstallieren, damit z.B. NTFS auf externen Datenträgern genutzt werden kann.
“Selbst die Arch Linux Anwender sind da keine Ausnahme. Auch sie wollen im Grunde ein Windows 7 haben, sonst würden sie nicht alle Gnome oder KDE installieren und auch nicht firefox oder LibreOffice.”
Da muss ich Manuel vehement widersprechen. Arch User wollen alles andere als ein Windows 7. Windows 7 ist ein vorkonfigurierter, statischer Block Software, der im Vergleich zu Arch völlig unflexibel ist. Der normale Anwender akzeptiert, wie z.B. der Desktop von Microsoft vorgegeben wurde. Oder er mag ihn nicht und muss damit klarkommen.
Arch User wollen ihren eigenen Desktop bauen. Wollen selbst bestimmen, welcher Window Manager zum Einsatz kommt, welche Desktopumgebung, welche Programme, welche Themes und welches Iconpack. Auch die Software im Hintergrund soll möglichst nicht vorgegeben werden. Der klassische Arch User will sein komplettes (!) System selbst aufbauen und ganz nach seinen Vorstellungen individuell zusammenstellen. Man wird zu fast nichts gezwungen, kann verwenden, was auch immer man will.
Genau das ist der entscheidende Unterschied. Ein “normaler” User hat dieses Bedürfnis nicht. Vielleicht passt er das Wallpaper an oder färbt die Fenster ein. Das war es dann meistens aber schon. Wie das System im Hintergrund arbeitet, ist ihm völlig egal. Hauptsache, seine Lieblingsanwendungen laufen. Ein durchschnittlicher Arch User will aber alles (!) anpassen können. Auch wenn es nicht jeder tut – die meisten wollen zumindest die Option haben.
“Selbst Linux-Profis verwenden ihren Laptop in der Regel wie einen Windows Laptop, d.h. sie gehen mit einem grafischen Webbrowser ins Internet, klicken auf irgendwelche Schaltflächen und rufen die Hilfe auf, wenn sie irgendwo nicht weiterwissen. Der Unterschied ist nur, dass Linux bei bedarf auch noch den Turbo bereithält, d.h. die Commandline. D.h. Linux ist im Grunde ein Windows auf Steroide. Und das ist vielleicht auch der Grund für den hohen Marktanteil von Ubuntu. Dort wurde — im Gegensatz zu Debian oder Slackware — gar nicht erst der Versuch unternommen, den User umzuerziehen, sondern er bekommt das was er eigentlich will: Spiele, eine GUI, schön bunt und ohne diesen ganzen UNIX-Dreck.”
Was die Desktopumgebungen angeht, … schon mal versucht, eine moderne Website über den Konsolenbrowser “Lynx” zu bedienen? ;) Nur, weil man gerne baut, will man doch nicht auf eine GUI verzichten? So gut wie jeder will eine GUI (zumindest privat, wenn man mal nicht am Server administrieren ist ;) )… was wäre ein moderner PC auch ohne grafische Benutzeroberfläche? Ja, ich habe eine GUI, aber deswegen will ich noch lange kein Windows. Das sind zwei paar Stiefel. “Windows auf Steoride” tut weh… das klingt so, als wäre ein Linux nichts anderes als ein Windows mit aufgebohrter Command Line. Das sehe ich komplett anders.
“Schaut man sich einmal das offizielle Arch Linux Forum genauer an, so werden dort meist ernste Fragen behandelt. Wie z.B. die Installation von PHP, das Einrichten von Cron-Jobs, NFS, KDE oder qemu. Alles typische Aufgaben wie sie bei einem professionellen Unix-System anfallen. Ganz anders die Ubuntu-Hilfeforen. Hier wird gefragt, wie man bei Quake ins nächste Level kommt, ob Pingus ein guter Lemmings-Clone ist und wie man Red Alert unter Ubuntu zum Laufen bringt.”
An dieser Stelle verweise ich nochmal auf die verschiedenen Zielgruppen. Man kann unter Arch Linux genauso gut spielen wie unter Ubuntu. Der Unterschied liegt nur darin, dass vor allem Anfänger im Bereich Linux Ubuntu verwenden. Sie haben nicht die Absicht, komplett hinter die Kulissen ihres Systems zu schauen und daran herumzuschrauben. Viel mehr wollen sie das tun, was die große Masse so macht: Spielen, chatten, Spaß haben.
Der Arch User ist mehr technisch interessiert, was aber nicht unbedingt heißt, dass er weniger zockt ;)
Mit diesem Beitrag will ich nur zeigen: Es kommt ganz auf die Zielgruppe an. Während der Arch User im Durchschnitt technisch versiert und mit Linux vertraut ist kann vor allem Ubuntu viele Linux Einsteiger überzeugen und bietet ihnen, was sie wollen: Ein fertiges System, an dem nicht mehr viel gefeilt werden muss. Aber auch bei Profis ist Ubuntu gerne gesehen, man kann also bei Ubuntu nicht von einer reinen “Anfängerdistribution” sprechen.
Der Arch User dagegen will die “volle Kontrolle” und jeden Bestandteil seines Systems auswechseln oder anpassen können.